Methodische Grundlagen für eine multisensorale Landnutzungsklassifikation
Zum Aufgabenbereich des Institutes für Meteorologie, Klimatologie und Fernerkundung (MCR Lab) am Departement Geographie der Universität Basel stand die Bearbeitung folgender Themen:
Hierfür mußten über die ERS-1-Daten hinaus weitere Datenebenen aufbereitet werden, spezielle soft- und hardwaretechnische Grundlagen vorhanden sein und die benutzten Daten einer Reihe von besonderen Vorverarbeitungsschritten unterzogen werden.
Eine Übersicht über die generelle Teilprojektstruktur am MCR Lab der Universität Basel gibt die folgende Abbildung.
Bei der Durchführung der einzelnen Arbeitsschritte wurden verschiedene Datentypen verwendet, die mehreren Vorprozessierungschritten unterzogen wurden, um weitere Datenebenen abzuleiten oder um Fehler in den Rohdaten zu korrigieren. Die Datentypen waren im Einzelnen:
Neben den im Rahmen der Pilotstudie durch die ESA zur Verfügung gestellten ERS-1-Szenen wurden weitere, im MCR Lab bereits vorhandene Satellitendaten des ERS-1 und anderer Systeme verwendet. Tab. 1.1 zeigt alle im Projekt verwendeten Satellitendaten.
Die in der Tab. 1.1. in der Spalte "Quelle" mit "ESA" markierten Daten wurden im Lauf des Projekts von der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA ausgeliefert, die "MCR"- Daten waren schon zuvor im Institut vorhanden und wurden aus anderen Projekten des MCR Lab in das ERSCliP eingebracht.
Zusätzlich zu den Satellitendaten stand als Kartengrundlage die topographische "Landeskarte der Schweiz", Blatt 2505, im Mastab 1:25000 zur Verfügung. Für Detailbetrachtungen wurden auch Blätter der Topographischen Karte der Bundesrepublik Deutschland sowie des Institut Géographique National de France (IGN) verwendet. Ergänzend waren flächendeckend Luftbilder vom Kanton Basel-Stadt vorhanden.
Für die an anderer Stelle beschriebene Ermittlung funktionaler Zusammenhänge wurde eine Attributdatenbank mit landnutzungsspezifischen Informationen über die aerodynamischen Eigenschaften der Oberflächen aufgebaut. Als Oberflächenparameter wurden dazu aus der mikrometeorologischen Literatur Werte für die Rauhigkeitslängen z0 und für die Nullpunktverschiebung d ermittelt und - wenn erforderlich - auf die Landnutzungsklassen angepaßt.
Alle EDV-bezogenen Arbeiten wurden im MCR Lab Basel durchgeführt. Bezüglich der Hardware stand ein Rechner-Cluster, bestehend aus vier VAX-Stations sowie einer Alpha-Workstation der Firma Digital Equipment mit einer Reihe von IBM-kompatiblen PCs zur Verfügung, die mit dem VAX-Cluster und auch untereinander vernetzt sind.
Die verwendete Software zur Bildverarbeitung stammt größtenteils aus Eigenentwicklung. Die Projektarbeiten erfolgten vor allem mit Hilfe des Bildverarbeitungspaktes DBV (Digitale Bildverarbeitung) und der Visualisierungs- und Bildverarbeitungssoftware GBV (Graphische Bildverarbeitung). DBV wurde in einer ersten Version am IPG Freiburg in den achtziger Jahren entwickelt. Mit Gründung des MCR Lab im Jahre 1989 in Basel wurde das Paket auf das VAX-Betriebssystem VMS portiert und um neue Module erweitert. Gleichzeitig wurde in Basel die Software GBV unter MS-DOS für den PC-Bereich entwickelt. Lediglich für die Arbeiten zur Erstellung des digitalen Geländemodells wurde als einziges kommerzielles Produkt das Geographische Informationssystem ARC/INFO verwendet.
Im Rahmen des parallel zum Projekt ERSCliP laufenden trinationalen Regio-Klima-Projektes REKLIP (Parlow 1992b, 1994, 1995, 1996 ) wurde am MCR Lab ein Höhenmodell der Region Basel digitalisiert, dessen räumliche Erstreckung etwa dem in ERSCliP untersuchten Bereich entspricht. Diese Arbeiten erfolgten mit dem Software-Paket ARC/INFO. Die Informationen wurden als Vektordaten abgelegt. Nach Beendigung der Digitalisierungen wurden die Vektordaten in einen Rasterdatensatz mit der LANDSAT-TM-Auflösung von 30 Metern umgerechnet. Am MCR Lab konnte außerdem auf ein digitales Höhenmodell (RIMINI-Modell) mit einer gröberen Auflösung (250 m) zurückgegriffen werden.
Aus dem digitalen Höhenmodell, das gleichzeitig als Referenzgrundlage für das Schweizer Landeskoordinatensystem diente, wurden für jeden Gitterpunkt die topographischen Parameter Exposition, Hangneigung und Horizonteinschränkung berechnet und so ein vollständiges digitales Geländemodell erstellt.
Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich auf französisches, deutsches und schweizerisches Gebiet und reicht im Nordwesten bis etwa zur Ortschaft Bartenheim im Elsaß (Schweizer Landeskoordinaten RW 601800/HW 275000), im Nordosten bis knapp südlich von Schopfheim im Wiesental (RW 630720/HW 275000), im Südosten etwa bis Sissach (RW 630720/ HW29660) und im Südwesten bis Dittingen am Blauen (RW 601800/HW 296600). Mit 624,6 km2 besitzt es eine West-Ost-Erstreckung von 28.9 km und eine Nord-Süd-Ausdehnung von 21.6 km. Das Gebiet umfaßt den Agglomerationsraum Basel mit geomorphologisch unterschiedlichen naturräumlichen Einheiten wie Rheintal, Dinkelberg und Tafeljura. Zur Veranschaulichung der verwendeten ERS-1-Datengrundlage ist nachstehend die ERS-Szene vom 14.8.1991 abgebildet. Sie ist auf das Untersuchungsgebiet geschnitten und auf Schweizer Landeskoordinaten entzerrt.
Die verwendete LANDSAT-TM-Szene vom 11.07.1991 lag in allen sieben Spektralkanälen, systemkorrigiert und in nicht-geokodierter Form für das Projekt vor. Um sie verwenden zu können, wurden alle Kanälen nach dem Paßpunktverfahren mit einem Polynom zweiten Grades entzerrt und dabei das Untersuchungsgebiet ausgeschnitten. Da die vorhandene Kartengrundlage die Landeskarte der Schweiz war, wurde die Entzerrung auf Schweizer Landeskoordinaten vorgenommen. Die Entzerrung ist sehr präzise und besitzt eine mittlere Pixelabweichung von 0.22 Pixel (etwa sechs Meter bei einer Auflösung von 30x30 Metern).
Neben dieser geometrischen Korrektur mußten die Daten des LANDSAT-TM einem weiteren Vorverarbeitungsschritt unterzogen werden, um Fehlerquellen zu minimieren, die sich auf die Klassifikationsqualität negativ auswirken würden. Das Maximum-Likelihood-Klassifikationsverfahren, das in ERSCliP verwendet wurde, basiert auf der Annahme, daß Pixel, die in dem durch die 7 Spektralkanäle aufgespannten 7-dimensionalen Merkmalsraum im Rahmen gewisser vorgegebener Grenzen ähnlich sind, derselben Klasse zuzuordnen sind. Dies ist bei sorgfältiger Bearbeitung der für die Statistik notwendigen Trainingsgebiete auch eine durchaus sinnvolle und bewährte Methode. Problematisch wird die Sache, wenn durch das Relief Einstrahlungsunterschiede während des Satellitenüberfluges entstehen, die sich zwangsläufig auch in der Reflexionswerten innerhalb der einzelnen Spektralkanäle wiederspiegeln. Hieraus resultiert zwangsläufig, daß z.B. ein Fichtenwald je nach Hangseite unterschiedlich stark reflektiert und von dem Klassifikationsalgorithmus zwei unterschiedlichen Landnutzungsklassen zugeordnet würde. Das Ergebnis ist dann entweder eine ungenaue oder nur nach wenigen Klassen differenzierende Landnutzungsklassifikation. Unter Einbeziehung eines digitalen Geländemodells in Verbindung mit einem numerischen Einstrahlungsmodell können im Rahmen der Datenvorverarbeitung die reliefbedingten Effekte weitgehend beseitigt und die Klassifikation deutlich verbessert werden (Parlow 1991, 1996).
Eine Strahlungsmodellierung alleine liefert schon eine Information wichtiger meteorologischer und damit klimarelevanter Einflußgrößen in einem betrachteten Raum. Dies ist per se schon aus der Problemstellung von ERSCliP heraus ein sinnvolles Arbeitspaket für das Projekt. In ERSCliP wurde die Strahlungsmodellierung jedoch im Zuge einer Strahlungskorrektur für die LANDSAT-TM-Klassifikation durchgeführt.
Im Rahmen früherer Projekte ist am MCR Lab ein Globalstrahlungsmodell entwickelt worden, das die solare Einstrahlung auf geneigten Flächen über ein digitales Geländemodell und unter der Annahme einer Standardatmosphäre für wolkenlose Bedingungen modelliert (Parlow 1988, 1990b, 1996 ).
Das Verfahren kann auch dazu benutzt werden, um Beschattungs- bzw. Überstrahlungseffekte in den solaren sichtbaren und infraroten Kanälen optischer Satellitendaten auszugleichen. LANDSAT-TM liefert Daten in drei sichtbaren und drei infraroten solaren Kanälen, sowie in einem Kanal der langwelligen terrestrischen Emission. Die sechs solaren Kanäle können mit dem genannten Verfahren korrigiert werden. Der Thermalinfrarot-Kanal wird zwar auch durch die topographischen Bedingungen beeinflußt, aber die standörtlichen Strahlungstemperaturen werden darüberhinaus von weiteren, in der Regel schwer faßbaren Größen mitbeeinflußt (Bodenfeuchte, Bodenwärmestrom, Wärmeleitfähigkeit etc.) (Parlow/Scherer 1991a, 1991b). Die Abbildung zeigt die strahlungskorrigierte TM-Szene vom Agglomerationsraum Basel (Aufnahmedatum : 11.7.1991).
Die bereits am Institut vorhandene ERS-1-Szene vom 22.05.1992 lag im GTC01-Format vor, war also bereits in UTM-Koordinaten geokodiert. Jedoch wurde auf Schweizer Landeskoordinaten (SLK) neu entzerrt, um kompatibel mit dem Digitalen Geländemodell zu sein. In gleicher Weise wurden auch die später von der ESA ausgelieferten Szenen behandelt.
Obwohl die meisten Algorithmen der Bildverarbeitungssoftware am MCR Lab mit 16-bit-Daten arbeiten können, mußten die ERS-1-Daten für verschiedene Arbeitsgänge von 16 bit auf 8 bit transformiert werden (RGB-Visualisierungen, Regressionsanalysen). Die Abbildung zeigt ein Farbkomposit (RGB) aus drei verschiedenen ERS-1-Szenen vom 7.6.1992, 3.5.1992 und 4.9.1991.
Eine wichtige Teilaufgabe innerhalb ERSCliP bestand darin, aus den vorhandenen multitemporalen (d.h. von verschiedenen Aufnahmezeitpunkten stammenden) ERS-1-Bildern neue, aus statistischen Verarbeitungsschritten abgeleite Datenebenen zu produzieren, die geeignet sind, die im SAR-Signal enthaltenen geographisch und meteorologisch relevanten Informationen abzuschöpfen. Die Vorgehensweisen sind in der folgenden Abbildung graphisch dargestellt.
Zwei weitere Tests wurden mit multitemporalen ERS-1-Daten durchgeführt. Zunächst wurde eine Hauptkomponentenanalyse von drei Szenen mit aufsteigendem Orbit gerechnet und somit drei neue Datenebenen generiert. Dies waren die Szenen vom 7.6.1992, vom 4.9.1991 und vom 3.5.1992. In Abbildung ist die erste der drei Hauptkomponenten wiedergegeben. Sie erklärt 72 % der Varianz aller 3 Eingangsszenen. Mit dieser Methode wird erneut eine Verbesserung des visuellen Bildeindruckes erreicht.
Außerdem wurde eine multiple lineare Regression gerechnet und so versucht, den Inhalt einer Szene {P1} durch eine Linearkombination von zwei anderen Szenen {P2} und {P3} zu erklären. Die Regressionsanalyse liefert einen Satz von Regressionskoeffizienten (c1 und c2) und eine Regressionskonstante (b). Als abhängige Variable wurde die Szene vom 4.9.1991, als unabhängige Variablen die beiden Szenen vom 7.6.1992 und vom 3.5.1992 verwendet. Formell bedeutet dies also:
Mit dem durch die Regression gewonnenen Satz von Regressionskoeffizienten sowie der Regressionskonstanten kann ein "Erwartungswertbild" {P(erw)} berechnet werden.
Durch Subtraktion der Pixelwerte dieses Erwartungswertbildes mit denen des unabhängigen Bildes {P1} entsteht ein Differenzen- oder Residuenbild {P(resid).
Da durch eine lineare Regression die Gesamtvarianz der abhängigen Variablen nicht vollständig erklärt werden kann, entstehen im Erwartungswertbild und im Residuenbild Bildinformationen, die auf lokale besondere Strukturen zurückzuführen sind. Hierdurch wird der Differenziertheitsgrad der Klassifikation gesteigert. Sowohl Erwartungswertbild und Residuenbild wurden bei den Arbeiten zur multisensoralen Klassifikation ebenfalls als Datenebenen verwendet.